Patellafraktur - DocCheck Flexikon (2024)

Englisch: patella fracture

Inhaltsverzeichnis

  • 1 Definition
  • 2 Epidemiologie
  • 3 Einteilung
  • 4 Ätiopathogenese
  • 5 Begleitverletzungen
  • 6 Klinik
  • 7 Diagnostik
    • 7.1 Konventionelles Röntgen
    • 7.2 Computertomographie
    • 7.3 Magnetresonanztomographie
    • 7.4 Ultraschall
  • 8 Differenzialdiagnose
  • 9 Therapie
    • 9.1 Operative Therapie
    • 9.2 Konservative Therapie
  • 10 Prognose
  • 11 Literatur

Definition

Unter einer Patellafraktur versteht man einen Knochenbruch (Fraktur) im Bereich der Kniescheibe (Patella).

Epidemiologie

Patellafrakturen machen etwa 1% aller Frakturen aus. Die Patienten sind meist zwischen 20 und 50 Jahre alt.

Einteilung

Je nach Morphologie unterscheidet man zwischen:

  • Querfraktur (50 bis 60%): In 80% im mittleren oder unteren Drittel
  • (Sternförmige) Trümmerfraktur (30 bis 35%)
  • Längsfraktur (12 bis 17%): stets an der lateralen Facette
  • Avulsionsfraktur: beispielsweise mit Abriss der Quadrizepssehne, Patellarsehne oder der Ansätze des Retinaculum patellae

Sonderformen sind:

  • osteochondrale Läsion
  • Patella-Sleeve-Fraktur bei Kindern: Häufigste Patellfraktur bei unter 16-Jährigen. Dabei handelt es sich um einen chondralen oder osteochondralen Abriss des inferioren oder seltener des superioren Pols. Dabei ist das Avulsionsfragment mit dem noch nicht verknöcherten Knorpel oder Teilen der Gelenkfläche verbunden und reißt diese mit.

Ätiopathogenese

Am häufigsten wird die Patellafraktur durch eine direkte Krafteinwirkung, meistens im Rahmen eines Anpralltraumas (sog. "dashboard injury"), hervorgerufen. Dabei entstehen meist Längs- und Trümmerfrakturen mit deutlicherem Knorpelschaden.

Auch indirekte Krafteinwirkungen können zu einer Patellafraktur führen, beispielsweise bei forcierter Kontraktion des Musculus quadriceps femoris bei gebeugtem Kniegelenk. Dabei entstehen meist Querfrakturen. Auch eine Patella-Sleeve-Fraktur entsteht durch indirekte Krafteinwirkungen. Bei Ruptur des Retinaculum patellae kommt es zur Diastase der Fragmente.

Häufig findet sich eine Kombination aus direktem Trauma und forcierter Muskelkontraktion.

Nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands (ACLR) treten Patellafrakturen in 1% der Fälle auf. Das eingesetzte Bone-Patella-Tendon-Bone-(BPTB-)Autograft kann die Patella schwächen. Typischerweise kommt es nach 8 bis 10 Wochen zu einer Querfraktur, teilweise auch in Verbindung mit einem direkten oder indirekten Trauma.

Des Weiteren treten Patellafrakturen bei 1% der Patienten nach Implantation einer Knie-Totalendoprothese auf, am häufigsten Querfrakturen.

Pathologische Frakturen der Patella kommen selten vor.

Begleitverletzungen

Bei direkter Krafteinwirkungen kann es zu chondralen oder osteochondralen Frakturen der Trochleagrube, ggf. mit freien Gelenkkörper kommen. Indirekte Traumata sind mit einer Ruptur der Quadrizeps- oder Patellarsehne assoziiert. Weiterhin kommen transiente Patellaluxationen vor:

  • Zerrung oder Ruptur des medialen Retinaculum oder medialen patellofemoralen Ligaments (mPFL).
  • Gelenkerguss
  • Knochenmarködem subkortikal an der lateralen Femurkondyle oder inferomedialen Patella.

Klinik

Die betroffenen Patienten geben einen starken Druck- und Bewegungsschmerz über der Kniescheibe an. Gehen ist in der Regel aufgrund der Schmerzen nicht mehr möglich. Im Kniegelenk kann keine Extension mehr durchgeführt werden.

Häufig kommt es zur Ausbildung eines Gelenkergusses. Bei direktem Trauma ist die Haut über der Patella aufgeschürft. Teilweise können die Frakturränder palpiert werden.

Diagnostik

Im Rahmen der klinischen Untersuchung kann bereits der Verdacht auf eine Patellafraktur geäußert werden. Die Diagnose wird in der Regel anhand von Röntgenbildern gesichert, insbesondere in der lateralen Projektion. Längsfrakturen und osteochondrale Frakturen können in der axialen Projektion erkannt werden. Zur Beurteilung von osteochondralen Verletzungen, Sehnen- und Bandverletzungen sowie bei Patella-Sleeve-Fraktur kommt die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Bei Trümmerfrakturen kann eine Computertomographie (CT) angefertigt werden.

Konventionelles Röntgen

Insbesondere in der lateralen Röntgenaufnahme sind Quer- und Trümmerfrakturen sowie kleine Avulsionsfragmente erkennbar. Eine Patella alta (Insall-Salvati-Index < 0,8) ist hinweisend auf eine Patellarsehnenruptur und ggf. eine Avulsion der inferioren Patella oder eine Patella-Sleeve-Fraktur. Eine Patella baja (Insall-Salvati-Index > 0,8) weist auf eine Quadrizepssehnenruptur und ggf. eine kleine Avulsionsfraktur der superioren Patella hin. Die Sehnenretraktion sowie das Ödem imponieren als Weichgewebsvermehrung. Auch ein Gelenkerguss kann auffallen.

In der a.p.- und axialen Projektion sind Längsfrakturen sowie dislozierte Frakturfragmente erkennbar. Die axiale Projektionsaufnahme wird auch als Sunrise-, Laurin-View oder Settegast-Projektion bezeichnet.

Typisch für eine osteochondrale Läsion aufgrund einer transienten Patellaluxation ist eine Impaktionsfraktur der medialen Gelenkfacette mit disloziertem Knochenfragment.

Computertomographie

Die Computertomographie ist sensitiver für kleine Avulsionsfragmente. Weiterhin kann der Versatz der Gelenkfläche sowie das patellofemorale Alignment beurteilt werden. Neben intraartikulären Knochenfragmenten sind auch assoziierte Femur- oder Tibiafrakturen darstellbar.

Magnetresonanztomographie

In der Magnetresonanztomographie ist die Frakturlinie als hypointenses Signal in T1w- und T2w-Sequenzen erkennbar. Umgebend findet sich ein T1w-hypointenses, T2w-hyperintenses Knochenmarködem. Der Gelenkknorpel ist unterbrochen und ein Gelenkerguss ist darstellbar. Weitere mögliche Befunde in der MRT sind:

  • Zerrung des medialen oder lateralen Retinaculum bzw. des medialen patellofemoralen Ligaments
  • erhöhtes T2w-Signal bzw. Laxizität oder Diskontinuität der Patellar- oder Quadrizepssehne

Zeichen einer osteochondralen Fraktur sind:

  • Hinweise einer transienten lateralen Patellaluxation:
    • T2w-hyperintense Knochenkontusionen der medialen Patella oder der lateralen Femurkondyle
    • T2w-hyperintenser Riss oder Diskontinuität des medialen Retinaculums, des mPFL und des Musculus vastus medialis obliquus
  • in allen Sequenzen signalarmes Fragment im Gelenkspalt oder neben der Patella
  • konkave Deformität der inferomedialen Patella

Bei einer Patella-Sleeve-Fraktur zeigt sich eine Separation durch den verknöchernden Knorpel, der die Patella und die Sehne verbindet. Der posteriore Gelenkknorpel (Sleeve) folgt dem polaren Fragment und trennt sich von der Patella. Im Gelenkspalt oder neben der Patella zeige sich signalarme Knorpel- und Knochenfragmente. Bei einem großen Knorpelfragment kommt bis zum 8. Lebensjahr eine Operation infrage.

Ultraschall

Die Sonographie kommt insbesondere zur Diagnostik von Patella-Sleeve-Frakturen sowie zur Beurteilung der Größe von Knorpelfragmenten zum Einsatz.

Differenzialdiagnose

Eine Ruptur der Patellarsehne oder der Quadrizepssehne kann ebenfalls zu einem Ausfall der Streckung im Kniegelenk führen und sollte differenzialdiagnostisch bedacht werden.

Radiologisch sollte an eine Patella bipartita gedacht werden, eine bei 2 bis 8% der Bevölkerung vorkommende anatomische Normvariante. Das zweite Knochenfragment liegt superolateral und ist im Gegensatz zur Patellafraktur durch einen abgerundeten und nicht durch einen scharfkantigen Spalt von der Patella abgetrennt. Der angrenzende Gelenkknorpel ist intakt. Es zeigt sich kein Knochenmarködem.

Weitere radiologische Differenzialdiagnosen sind:

  • dorsaler Patelladefekt: Ossärer, mit Gelenkknorpel bedekter Defekt in der superolateralen posterioren Patella. Meist asymptomatische Entwicklungsvariante. Kein Nachweis einer Frakturlinie.
  • Chondromalacia patellae: keine Frakturlinie
  • Sinding-Larsen-Johansson-Syndrom: variable Signalveränderungen, ggf. mit Fragmentation der inferioren Patellakante.
  • unzureichende Fettsuppression: in axialen oder seltener sagittalen PDw- oder T2w-FS-Sequenzen kann ein Knochenmarködem vorgetäuscht werden, das kein Korrelat in anderen Sequenzen aufweist.

Therapie

Operative Therapie

Die Patellafraktur wird in der Regel operativ behandelt. Indikationen sind:

  • Separation der Frakturfragmente > 3 mm
  • Stufenbildung in der Gelenkfläche > 2 mm
  • gestörte Extension
  • offene Fraktur

Zum Einsatz kommen verschiedene Verfahren, teils auch in Kombination:

  • Zuggurtungsosteosynthese: zwei axiale Kirschner-Drähte plus ventraler Zuggurtungsdraht in 8-er Tour verspannt, evtl. mit zirkulärer Cerclage.
  • Schraubenosteosynthese
  • patellotibiale Faden- oder Drahtcerclagen bei Polabrissen oder ligamentären Begleitverletzungen
  • Anteriore Plattenosteosynthese
  • Winkelstabile Flachprofilplatten
  • formbare Gitterplatten mit teilweiser Winkelstabilität

Seltene alternative Verfahren sind beispielsweise eine totale oder partielle Patellektomie. Eine postoperative Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin ist obligat. Nach der Operation werden zunächst Bewegungsübungen auf einer Motorschiene durchgeführt. Es folgen eine Teil- und später auch die Vollbelastung des Beines.

Konservative Therapie

Selten wird eine konservative Therapie durchgeführt. Indikationen sind beispielsweise:

  • erhaltene aktive Streck-Hebefähigkeit (nicht gegen Widerstand)
  • Unverschobene Längs-, Stern- oder Querfrakturen (keine Dislokation bei 40° Beugung)
  • Stressfrakturen
  • traumatische Separation bei Patella bipartita

Dabei werden Gipsverbände und Schienen für 4 bis 6 Wochen eingesetzt.

Prognose

In den meisten Fällen ist die Patellafraktur nach acht Wochen ausgeheilt. Als Folge der Fraktur wird häufig eine Retropatellararthrose beobachtet. Bis zu 50% der Patienten geben persistierende Schmerzen an. Weitere mögliche Folgen sind eine Pseudarthrose, sowie Defizite in der Flexion und der Extension.

Literatur

Bijan Fink

Peer reviewed am 13.02.2023 von Bijan Fink

Patellafraktur - DocCheck Flexikon (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Laurine Ryan

Last Updated:

Views: 6321

Rating: 4.7 / 5 (57 voted)

Reviews: 80% of readers found this page helpful

Author information

Name: Laurine Ryan

Birthday: 1994-12-23

Address: Suite 751 871 Lissette Throughway, West Kittie, NH 41603

Phone: +2366831109631

Job: Sales Producer

Hobby: Creative writing, Motor sports, Do it yourself, Skateboarding, Coffee roasting, Calligraphy, Stand-up comedy

Introduction: My name is Laurine Ryan, I am a adorable, fair, graceful, spotless, gorgeous, homely, cooperative person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.